Neujahrsbrezeln sind vielerorts das traditionelle Hefegebäck zum Jahreswechsel. Aber hast du schon einmal von Mutscheln oder Sternen aus Hefeteig gehört? Der Dreikönigstag am 6. Januar wird auch als Hochneujahr oder “Öberster” bezeichnet. Dieser Feiertag wird bei uns im Schwäbischen mit einem heißgeliebten Neujahrsbrauch begangen: dem Mutscheln oder Sternwürfeln. Ich verrate dir heute alles Wissenswerte über diese typisch schwäbische Tradition. In diesem Beitrag findest du das Originalrezept für die leckeren Mutscheln und Sterne aus Hefeteig. Und ein paar der lustigen Würfelspiele.
Inhalt
Mutscheln – eine schwäbische Neujahrstradition aus dem Kreis Reutlingen
Im baden-württembergischen Städtchen Reutlingen am Fuß der Schwäbischen Alb gibt es einen besonderen “Feiertag”, den Mutscheltag. Rund um das Dreikönigsfest am 6. Januar verkaufen alle Bäcker der Region leckere Mutscheln. Das ist ein sternförmiges Hefegebäck mit acht Zacken.
Traditionell wird in geselliger Runde nach verschiedenen Spielregeln um die Mutscheln gewürfelt. Aber natürlich schmecken die Mutscheln oder Sterne auch ohne Würfelspiel. Das Hefegebäck ist das ganze Jahr über genauso lecker wie der Schwäbische Hefezopf – zum Sonntagsfrühstück, zum Nachmittagskaffee oder beim Picknick im Grünen.
In meiner Kindheit war mir nicht bewusst, dass es dieses mürbe Hefegebäck und die Neujahrstradition des Sternwürfelns oder Mutschelns nicht in ganz Deutschland gibt. Sie ist in Baden-Württemberg vor allem in der Region rund um Reutlingen bekannt. Und nicht einmal im ganzen Kreis Reutlingen wird diese schwäbische Tradition gleich zelebriert.
Doch wo ist ihr Ursprung? Warum findet sie um den 6. Januar und nicht zu Neujahr statt? Ich habe mich auf die Spurensuche gemacht.
6. Januar: Hochneujahr als Abschluss der Rauhnächte
Der Dreikönigstag (Dreikönigsfest oder Heilige Drei Könige) am 6. Januar wird in Süddeutschland und im Alpenraum sowie in Thüringen und Sachsen traditionell als Hochneujahr bezeichnet.
Je nach Region wird der 6. Januar auch Hohneujahr, Großes Neujahr, Großneujahr, Oberster oder wie bei uns im Schwäbischen Öberster genannt. Diese Bezeichnung ist in der jüngeren Generation nicht mehr gebräuchlich. Für meine Großtante Käthe war der „Öberste“ aber immer von großer Bedeutung.
Es gibt mehrere Deutungen des „Hochneujahrs“, die durch Brauchtum und Volksglauben überliefert wurden.
- Einige Quellen besagen, dass das Hochneujahr am 6. Januar als Epiphanias-Tag (Tag der Erscheinung des Herrn) christlichen Ursprungs ist.
- Andere schreiben ihm eher eine germanisch-vorchristliche Herkunft zu. In Süddeutschland liegen die magischen Rauhnächte zwischen Weihnachten (25. Dezember) und dem Erscheinen des Herrn (6. Januar). Die wichtigste Orakel-Nacht der Rauhnächte ist die letzte, die sogenannte „obriste Nacht“. Das eigene Heim soll vor bösen Mächten geschützt werden. Um sich selbst gegen die möglichen Widrigkeiten zu wappnen und sich Stärke für das neue Jahr anzutrinken, traf man sich im Kreise von Familie oder Freunden in Gasthäusern.
Lesetipp zu den Rauhnächten: Julia von Globusliebe verrät mehr über die spirituelle Bedeutung dieser magischen 12 Nächte zwischen den Jahren.
Gebildbrote als gebackene Tradition
Die Mutschel ist ein sogenanntes „Gebildbrot“. Das bedeutet, dass die Form und das Aussehen des Gebäcks durch eine über viele Generationen überlieferte Tradition vorgegeben ist. Gebildbrote werden nur zu einem bestimmten Anlass im Jahr gebacken.
Das lässt sich nicht mehr eindeutig belegen. Erstmals erwähnt wurde sie in Reutlingen schon im 15. Jahrhundert.
Mutscheln haben traditionell immer die Form eines Sternes mit 8 Zacken. In der Mitte befindet sich eine kleine Erhebung. Diese ist von einem geflochtenen Teigkranz umgeben.
Vielleicht stellen die acht Zacken die früher acht Teilgemeinden Reutlingens dar und die Erhebung in der Mitte den Reutlinger Hausberg Achalm.
Oder die Zacken stehen für acht Reutlinger Zünfte, wie Schmied, Küfer, Schneider oder Gerber.
Recht wahrscheinlich ist die Mutschel das Zeichen der Bäckerzunft. Ihre Zunftfahne schmücken Brezeln und ein Mühlrad. Die Mutschel könnte das Mühlrad darstellen.
Lokale Varianten der schwäbischen Neujahrstradition
- Mutscheln in Reutlingen
Der Donnerstag nach dem Dreikönigsfest, dem „Öbersten“, ist traditionell Mutscheltag in Reutlingen. Die Reutlinger treffen sich in Gaststätten, Vereinsheimen oder auch privat und würfeln in feuchtfröhlicher Runde um die Mutscheln.
- Sternwürfeln in Pfullingen und Sonnenbühl
Schon im benachbarten Pfullingen und in meiner Heimat Sonnenbühl trifft man sich nicht zum Mutscheln, sondern zum Sternwürfeln. Das gesellige Treffen findet dort normalerweise immer am Abend vor Heilige Drei Könige (5. Januar) statt.
- Hirschhörnle-Würfeln in Münsingen
In Münsingen auf der Schwäbischen Alb gibt es weder Mutscheln noch Sterne, sondern Hirschhörnle. Hier wird das Hefegebäck in Form des Münsinger Stadtwappens, der Hirschhörnle, ausgebildet.
Rettet die schwäbischen Traditionen!
Schon als Teenager war ich eine Verfechterin der schwäbischen Sprache. Bis heute bin ich in der “Mission Heimatliebe“ unterwegs. Zu gerne möchte ich unsere schwäbischen Traditionen und Bräuche vor dem Vergessen bewahren. Deshalb stelle ich sie dir mit den passenden Schwäbischen Rezepten hier auf dem Blog vor.
Die Tradition des Mutschelns oder Sternwürfelns verdient es, über die Region Reutlingen hinaus bekannt werden. Dieses Jahr kann dieser gesellige schwäbische Brauch leider in Gasthäusern und Vereinsheimen stattfinden.
Die Würfelspiele sind aber auch eine lustige Familienaktivität für zuhause. Das Würfeln und gemeinsame Vernaschen der Sterne mit einem Becher Kakao macht schon ganz kleinen Kindern riesigen Spaß.
Deshalb verraten wir dir heute das einfache Rezept für Mutscheln und Sterne aus Hefeteig. Und dazu auch die lustigen Würfelspiele, bei denen der Sieger einen Stern oder eine Mutschel gewinnt.
Das traditionelle Rezept für Reutlinger Mutscheln und Sterne
Zutaten für 12 kleine Mutscheln oder Sterne:
- 1 kg Mehl (Typ 405 oder 550)
- 150 g Butter
- 1 Würfel frische Hefe
- 1 TL Salz
- 1 TL Zucker
- 500 -700 ml Milch
- Zum Bestreichen: 1 Ei oder 1 Eigelb
Tipp: Du kannst die Zutatenmenge auch halbieren, dann ergibt sie 6 kleine Mutscheln.
- Arbeitszeit ca. 45 Minuten
- Ruhezeit ca. 1 Stunde
- Backzeit: ca. 20 Minuten
Zubereitung des Hefeteigs
- Hefe in der lauwarmen Milch auflösen, zu Mehl, Zucker und Salz geben. Weiche Butter zufügen. Mit dem Handrührgerät* oder von Hand zu einem festen, glatten Teig verarbeiten.
- Den Teig in einer Hefeteigschüssel mit Deckel* an einem warmen Ort ca. 1 Stunde gehen lassen, bis er sich verdoppelt hat.
- Dann nochmals per Hand gut durchkneten.
- Teig in 12 etwa 130 g große Kugeln unterteilen und diese nach der folgenden Anleitung zu kleinen Sternen formen. Auf unseren Bildern hatten wir eine größere Teigmenge :-))
Mutscheln und Sterne formen
- Auf einer rutschfesten Teigunterlage* von 2/3 einer Teigkugel eine kompakte Halbkugel formen und plattdrücken.
- Sternförmig mit dem Messer in 8 Teile einschneiden – zuerst in Viertel, dann in Achtelstücke. In der Mitte soll ein Kreis stehen bleiben.
- Die eingeritzten Teigteile sternförmig herausziehen und die Sternzacken leicht in Form bringen.
- Den “Buckel” in der Mitte etwas formen. Oder einfach eine kleine Teigkugel rollen und in die Mitte der Mutschel setzen.
- Aus dem anderen Teigdrittel drei gleichlange Schlangen formen. Daraus einen Zopf flechten und die Enden miteinander verbinden. Rund um den „Buckel“ herumlegen und das Gebäck damit verzieren.
- Bei der klassischen Mutschel kommt auf jede Zacke noch ein anderes Motiv (z. B. Mond, Spirale, Brezel).
- Sterne auf ein mit Dauerbackfolie* belegtes Blech legen. Die fertig geformten Sterne nochmals abgedeckt gehen lassen, bis sie sich deutlich vergrößert haben (ca. 30 min).
- Mit einem Silikonbackpinsel* mit dem verquirlten Ei bestreichen.
- Im vorgeheizten Backofen ca. 20 Minuten bei 190°C backen.
Extratipps:
- Der Hefeteig sollte recht fest sein, sonst verlaufen die Mutscheln beim Backen.
- Wir formen oft aus zwei Teigsträngen einfache Sterne mit vier Zacken. Die sind noch fluffiger und bei unseren Kindern beliebter.
- Für besondere Anlässe kannst du aus der Teigmenge eine große Mutschel wie vom Bäcker formen. Die Backzeit verlängert sich dann auf ca. 30 Minuten.
Genießen des schwäbischen Hefeteiggebäcks
Klassisch werden die Mutscheln oder Sterne bei lustigen Würfelspielen “erspielt”. Die bekanntesten Spiele stellen wir dir gleich vor.
Gegessen werden die Sterne oft gleich während des Würfelns. Oder zum Kaffee am nächsten Tag mit Butter und Marmelade bestrichen. Unsere Kinder stippen sie gerne in heißen Kakao.
Das Hefegebäck lässt sich gut auf Vorrat zubereiten und einfrieren. Bei Bedarf einfach kurz im Backofen oder der Mikrowelle aufbacken. Dieses traditionelle schwäbische Gebäck schmeckt schließlich nicht nur zum Dreikönigstag gut.
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Die beliebtesten Würfelspiele fürs Sternwürfeln (Mutscheln)
Bitte nicht lachen, aber die traditionellen schwäbischen Würfelspiele haben wirklich merkwürdige Namen. Für die Spielregeln gibt es sogar ein eigenes “Reutlinger Mutschel Büchle”. Ich habe meinen Vater nach den lustigsten Würfelspielen gefragt. Er ist ein echter Insider, denn er zelebriert seit seiner Jugend das Sternwürfeln mit seinen Freunden.
Für die Würfelspiele benötigst du nur einen Würfelbecher* mit 3 Würfeln. Und einen Block zum Aufschreiben der Ergebnisse.
1. Der Wächter bläst vom Turme
(Wird mit 3 Würfeln gespielt)
In den Becher werden zwei Würfel gelegt. Der Becher wird umgedreht, sodass die Würfel verdeckt liegen bleiben. Der dritte Würfel wird oben auf den Becherrand gelegt und vom Spieler heruntergeblasen. Die Zahl der Augen unter dem Becher wird dann mit der Augenzahl des geblasenen Würfels multipliziert.
2. Nacket’s Luisle
(Wird mit 3 Würfeln gespielt)
Bei diesem Spiel gilt es, zuerst die Zahlen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 zu bekommen. Und zwar gilt jede Zahl, die sich durch beliebiges Zusammenzählen des einen Wurfs mit den 3 Würfeln ergibt. In gleicher Weise wird wieder von 10 auf 1 heruntergezählt. Die Zahl 10 muss 2 Mal gewürfelt werden. Wer zuerst fertig ist, hat gewonnen.
3. Langer Entenschiss
(Wird mit 3 Würfeln gespielt)
Hier gilt nur der Wurf, der die Augen 1, 2 und 3 enthält. Wer keinen solchen Wurf hat, erhält einen Strich.
4. Einsame Filzlaus
(Wird mit 1 Würfel gespielt)
Der erste Spieler setzt den umgestülpten Becher seinem rechten Nebensitzer vor. Der darf ihn aber selbst nicht aufheben. Der Nebensitzer hebt den Becher. Zeigt der Würfel eine 1, so erhält er einen Strich. Dann gibt seinem Vormann den umgedrehten Würfelbecher zurück. Dieser hebt den Becher auf. Bei einer 1 erhält auch dieser seinen Strich. Ist keine 1 darunter, so geht das Spiel weiter. Wer 5 Striche hat, scheidet aus.
5. Große und kleine Hausnummer
(Wird mit 3 Würfeln gespielt)
Jeder darf drei Mal würfeln. Beim jedem Wurf muss ein Würfel zur Hausnummer gelegt werden. Der Spieler wählt, an welcher Stelle der drei Ziffern der Hausnummer der Wurf liegen soll. Für die kleine Hausnummer ist es das Ziel, möglichst nahe an die 111 zu kommen. Bei der großen Hausnummer ist eine möglichst große Zahl nahe der 666 das Ziel.
6. 3 Schuss ins Volle
(Wird mit 3 Würfeln gespielt)
Der Spieler würfelt 3 Mal. Jede 1 wird als 100 gezählt, jede 6 als 60, alle anderen Augen zählen normal.
7. Mäxchen oder Mäxle
Bei diesem klassischen Trinkspiel geht es darum, wer am überzeugendsten lügen kann. Wenn du das Spiel nicht kennst, kannst du die genauen Regeln auf YouTube anschauen.
Viel Spaß beim Würfeln und Verspeisen des leckeren Hefeteiggebäcks!
Zutaten
Für 12 kleine Mutscheln oder Sterne
- 1 kg Mehl (Typ 405 oder 550)
- 150 g Butter
- 1 Würfel frische Hefe
- 1 TL Salz
- 1 TL Zucker
- 500 -700 ml Milch
- Zum Bestreichen: 1 Ei oder 1 Eigelb
Zubereitung
Hefeteig
- Hefe in der lauwarmen Milch auflösen, zu Mehl, Zucker und Salz geben. Weiche Butter zufügen. Mit dem Handrührgerät oder von Hand zu einem glatten Teig verarbeiten.
- Den Teig zugedeckt an einem warmen Ort ca. 1 Stunde gehen lassen, bis er sich verdoppelt hat.
- Dann nochmals per Hand gut durchkneten.
- Teig in 12 etwa 130 g große Kugeln unterteilen.
Mutscheln und Sterne
- Von 2/3 einer Teigkugel eine kompakte Halbkugel formen und plattdrücken.
- Sternförmig mit dem Messer in 8 Teile einschneiden. Zuerst in Viertel, dann in Achtelstücke. In der Mitte soll ein Kreis stehen bleiben.
- Die eingeritzten Teigteile sternförmig herausziehen und die Sternzacken leicht in Form bringen.
- Den "Buckel" in der Mitte etwas formen. Oder einfach eine kleine Teigkugel rollen und in die Mitte der Mutschel setzen.
- Aus dem anderen Teig-Drittel drei gleichlange Schlangen formen. Daraus einen Zopf flechten und die Enden miteinander verbinden. Rund um den „Buckel“ herumlegen und das Gebäck damit verzieren.
- Bei der klassischen Mutschel kommt auf jede Zacke noch ein anderes Motiv (z. B. Mond, Spirale, Brezel, Viereck...).
- Sterne auf ein mit Dauerbackfolie belegtes Blech legen.
- Abgedeckt nochmals abgedeckt gehen lassen, bis sie sich deutlich vergrößert haben (ca. 30 min).
- Mit dem verquirlten Ei bestreichen.
Im vorgeheizten Backofen ca. 20 Minuten bei 190°C backen.
Vielleicht schaffen wir es, diese typisch schwäbische Tradition aus dem Kreis Reutlingen weit über die Region hinaus bekannt zu machen? Oder gibt es bei dir in der Heimat eine ähnliche Neujahrstradition? Verrate es mir gerne in den Kommentaren.
Wir wünschen dir und deinen Lieben ein glückliches und gesundes neues Jahr 2021!
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3 Kommentare
Danke für diesen Einblick in die schwäbische Kultur! Davon hatte ich echt noch nie gehört. Aber die Kombination aus Backen und Würfeln klingt nach einem absolut erhaltenswerten Brauch!
Sehr gerne, liebe Lena!
Die alten Bräuche sind wirklich zu schön, um in Vergessenheit zu geraten.
Viele Grüße von Sanne
Liebe Sanne,
zuerst wünsche ich Dir und Deiner Familie ein glückliches und gesundes Jahr 2021.
Ich liebe Deine Geschichten um die schwäbischen Traditionen. Und obwohl ich einige Jahre in der Gegend gewohnt habe, war mir das Mutscheln total unbekannt. Das Hefegebäck sieht voll lecker aus. Das probiere ich mal.
Früher haben wir auch oft gewürfelt. Sollte ich wohl mal wieder anfangen. Danke für diesen supergeilen Beitrag :D
Liebe Grüße
Liane und Herr R.